Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine & Mitteleuropas Energieabhängigkeit

Livía Benko: Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine: Wie wird sich die Energieabhängigkeit auf die regionale Stabilität Mitteleuropas auswirken?, AIES Studies 4/2023

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06.03.2024


Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 erlebte die Europäische Union einen außergewöhnlichen Energie- und Sicherheitsschock. Innerhalb von sechs Monaten hatte ein wichtiger Erdgaslieferant, nämlich Russland, die Lieferungen fast vollständig eingestellt. Der Angriff auf die Ukraine war ein Wendepunkt, der die EU-Mitgliedstaaten dazu veranlasste zu zeigen, inwieweit sie bereit sind, ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland zu verringern. Bisher lieferte Russland 40% der Gas-, 27% der Erdöl- und 46% der Kohleimporte der EU.

Die neue geopolitische Lage hat die Besorgnis über die Energieversorgungssicherheit verstärkt und die Anfälligkeit der EU im Bereich der Energieversorgung sowie ihre übermäßige Abhängigkeit von Energieeinfuhren, insbesondere von Erdgas, deutlich gemacht. Der russische Angriff auf die Ukraine hat die gemeinsame Bedrohungswahrnehmung innerhalb der EU gestärkt und die Mitgliedsstaaten in der Bereitschaft für eine gemeinsame Verteidigung geeint. Die europäischen Staaten sind sich heute mehr denn je der Notwendigkeit einer strategischen Autonomie bewusst. Der Ruf nach dieser europäischen "strategischen Autonomie" ist unüberhörbar, doch ohne die USA fehlen die Ausrüstung, die Ausbildung, und vor allem die logistischen Kapazitäten, die die Versorgung der Ukraine überhaupt erst möglich gemacht haben. Die NATO ist der wichtigste Rahmen für die kollektive Militärplanung, in dessen Zusammenhang die EU-Mitgliedstaaten ihre Verteidigungsausgaben erheblich erhöhen. Nach dem Angriff auf die Ukraine gab es erhebliche Erwartungen an Deutschland und Frankreich, Maßnahmen zu ergreifen und eine Führungsrolle innerhalb der EU zu übernehmen, wenn es um die Verteidigung geht, was leider nicht geschehen ist.

Stattdessen hat der Krieg die CEE-Staaten in den Vordergrund gerückt. Sie waren es, die nach dem 24. Februar 2022 ihre schnelle Bereitschaft und Unterstützung zeigten. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass sich diese Länder von den Entwicklungen stark betroffen fühlten, auch aufgrund ihrer großen Energieabhängigkeit von Russland. Die Führungsrolle Warschaus in der Leopard-Frage und vor allem die Fähigkeit Polens, nicht nur im Namen der baltischen Staaten, sondern auch Finnlands und anderer Eckpfeiler des westlichen Konsenses zu sprechen, deuten ebenfalls darauf hin, dass sich das strategische Zentrum Europas nach Osten verlagert.

 

Diese Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung, Sektion I – Generaldirektion für Verteidigungspolitik erstellt.

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